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Die Kellergemeinschaft

Wenn auch Zeitpunkt und Grund des Kellerbaues nicht im Detail beschrieben werden können, ist als Realität festzuhalten, daß die Gänge während des zweiten Weltkrieges für die Bevölkerung des Stadtteils Kreuz lebenserhaltenden Schutz bei Fliegerangriffen geboten haben. Aus Anlaß des 20. Jahrestages der Bombadierung von Bayreuth im Jahre 1945 hat Frau Dora Zeilmann aus der Karl-Hugelstraße 7 in der Bayreuther Tageszeitung am 05.04.1965 folgenden Situationsbericht über eine Kellergemeinschaft geschrieben, der so interessant ist, daß er in Erinnerung gehalten werden soll, was die Autorin gestattet hat.

Zum 20. Jahrestag der Bombardierung von Bayreuth am 5.,8. und 11.04.1945. 

Eine Kellergemeinschaft

Die letzen Tage des schrecklichen Krieges werden wieder übermächtig in der Erinnerung bei all denen, die sie erlebten. Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen, aber wir sollten die Erinnerung immer wieder wach halten und nichts vergessen, damit wir wieder genügsam und demütig werden - und dankbar. 

In Bayreuth wurde ja die Fliegerwarnung nie so recht ernst genommen damals. Man ging bei Alarm gemächlich in die Hauskeller und legte sich nach der Entwarnung beruhigt wieder zu Bett.
Als aber an jenem 5. April 1945 der erste Bombenhagel über Bayreuth niederging (Ein Drittel der Innenstadt wurde damals zerstört) war es jedem klar, daß die kleinen Hauskeller auf keinen Fall ausreichenden Schutz bieten konnten und wer einen tiefgelegenen Felsenkeller (einige Stadtviertel sind auf gewachsenen Sandsteinfelsen gebaut) in der Nähe hatte, der suchte diesen auf. So kam es, daß der Felsenkeller eines Landwirts im Kreuz (am Stadtrand) in den wenigen Tagen mehr und mehr Zustrom hatte und mit Menschen- hauptsächlich Frauen und Kinder - überfüllt war. Man richtete sich in der drangvoll fürchterlichen Enge so gut wie möglich ein, brachte Stühle und Decken mit und schlief mehr schlecht als recht auf den Rangesrüben als Unterlage.
Zum Glück war sonniges, warmes Wetter und man konnte in den Entwarnungspausen doch ein wenig an die frische Luft kommen. 

Aber all die Leute, die dabei waren, schlossen sich zu einer regelrechten Kellergemeinschaft zusammen. Die Hilfsbereitschaft war groß. Einiger dieser Menschen in ihrer tätigen Nächstenliebe möchte ich ganz besonders gedenken. Die Bauernfamilie selbst war rührend besorgt, alle, die kamen, unterzubringen. Die kleinen Kinder durften so lange als möglich oben in der Stube bleiben und wurden erst ganz zuletzt in den Keller gebracht. Die Hauseigentümer selbst gingen stets als letzte in den Keller und eine der Töchter blieb mit der Spitzhacke bewaffnet nahe der Türe, um bei Gefahr sogleich tätig sein zu können. Ein paar der wenigen Männer mußten sich am Ende des großen Kellerganges ebenfalls mit Spitzhacken bereit halten, um im Notfalle einen Durchbruch zu der tiefer gelegenen Parallelstraße, auf die der Kellergang mündete, zu schaffen. 

Die Säuglinge und Kleinkinder bekamen von unserem Bauern jeden Tag frische warme Milch, denn die kleinen Vorräte, die sich jeder mitbrachte, waren ja bald aufgezehrt und außerdem gabs ja keinen Strom, kein Gas und kein Wasser, es war ja alles zerstört. Das auch jedes Kind etwas bekam, dafür sorgte ein Kriegsgefangener Franzose, der Josef, der die Milch auf dem Spirituskocher auf die richtige Temperatur brachte und die Fläschchen herrichtete und verteilte. Der Josef arbeitete bei unserem Metzgermeister und hat sich auch sonst im Keller recht nützlich gemacht. Und unser Metzgermeister hat eingegriffen und einen großen Kessel Fleischsuppe gekocht und im Keller kostenlos an alle verteilt. Das erste warme Essen wieder seit Tagen, es war wunderbar. Dieser Meister hat sich auch sonst um alles angenommen, hat Berichte über die Lage gegeben. Also Leut, im Kreuz ist nichts passiert, aber da sind Bomben gefallen und dort brennt´s, damit ihr´s wisst, wenn ihr Bekannte in der Gegend habt und hat beruhigt und gut zugeredet, wenn sich der eine oder andere zu sehr aufregte. 

Dann soll auch der Bäckermeister von unserem Viertel nicht vergessen werden, der trotz der ständig drohenden Gefahr von Bombern und Tieffliegern Brot gebacken und die Kellergemeinschaft damit versorgt hat. Das Mehl war zwar nicht mehr ganz sauber, denn auch in seiner Bäckerei sind Bomben gefallen und es knirschte manchmal zwischen den Zähnen, aber was tat das schon, wir hatten ja wieder Brot.

Und das soll nun alles vergessen sein? Nein, heute nach 20 Jahren soll diesen Menschen, die damals so vielen beigestanden haben, öffentlich aufrichtiger Dank gesagt werden für ihren warmherzigen Liebesdienst am Nächsten. 

Bei den Personen, die den Schutzsuchenden ihren Keller zugänglich gemacht und sie mit Essen versorgt hatten, handelte es sich um die Bauernfamilie Hörl, den Metzgermeister Sebastian Meußgeier und den Bäckermeister Hans Hermannsdörfer, alle aus dem Kreuz. 

Hoffen wir, das die Felsenkeller nie mehr für solch einen Zweck in Anspruch genommen werden müssen, sondern nur noch der Lagerung von Getränken dienen, wie dies beispielsweise in einem Teil der Keller in den 99 Gärten der Fall ist.

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